Sonntag, 3. Januar 2010

Als ich ein kleiner Junge war


Erich Kästner
Als ich ein kleiner Junge war
ISBN: 0107289 1 . 223 Seiten

Inhalt: »Die Monate haben es eilig. Die Jahre haben es eiliger. Und die Jahrzehnte haben es am eiligsten. Nur die Erinnerungen haben Geduld mit uns. Besonders dann, wenn wir mit ihnen Geduld haben«, schreibt Erich Kästner in seinem Nachwort zu seinen Kindheitserinnerungen ›Als ich ein kleiner Junge war‹. Kästner, 1899 in Dresden geboren, erzählt von den Jahren 1907 bis 1914 in seiner Heimatstadt, aber auch sehr anschaulich von der Kindheit seiner Eltern und seiner Großeltern.

Er beschreibt das Alltagsleben seiner Familie, die gesellschaftlichen Zwänge und Konventionen, das Treiben auf den Straßen und Plätzen Dresdens. Besonders liebevoll erinnert sich Erich Kästner an seine Mutter, der er mit diesem Buch ein Denkmal setzt.

Meine Meinung: Was für ein schönes kleines Büchlein. Kästners Beschreibungen nach hätte ich nur zu gerne einmal einige Tage meiner Kindheit vor 100 Jahren erleben wollen. Erich Kästner kann wunderschön schreiben, keine Frage, aber das man sich das geschriebene Wort dann auch noch so bildhaft vorstellen kann, schaffen bei mir nur die wenigsten Autoren. Kästner schafft es! Dresden muss eine wunderschön Stadt gewesen sein, bevor sie durch die zwei Weltkriege fast komplett zerstört wurde, jedenfalls geht das aus seinen Beschreibungen hervor. Kästner selbst schreibt, dass seine Kindheit dann mit dem Ausbruch des 1. Weltkrieges plötzlich vorbei war. Besonders toll fand, dass der Buchtitel "Als ich ein kleiner Junge war" immer wieder in jedem der 16 Kapitel aufgegriffen wird und ich den Buchtitel deshalb mehr als passend finde.
Erich Kästner beginnt seinen Roman mit der Geschichte der Familien seiner Eltern Emil und Ida, den Kästners und den Augustins, bis er schließlich über das Kennenlernen seiner Eltern und deren Umzug nach Dresden zu Erzählungen aus seiner Kindheit übergeht. Es sind äußerst lebhafte Erzählung die keine Tiefen auslässt aber auch all die schönen Dinge mitnimmt. Als ich ein kleiner Junge war ist ein Roman der mich tief berührt hat und den ich jedem der sich auch nur annährend für das Leben vor 100 Jahren und Erich Kästner interessiert ans Herz legen möchte.

Deshalb vergeben ich



Eindrücke: Meine Mutter war kein Engel und wollte auch keiner sein. Ihr Ideal war handgreiflicher. Ihr Ziel lag in der Ferne, doch nicht in den Wolken. Es war erreichbar. Und weil sie energisch war wie niemand sonst und sich von niemanden dreinreden ließ, erreichte sie es. Ida Kästner wollte die vollkommene Mutter ihres Jungen werden. Und weil sie es werden wollte, nahm sie auf niemanden Rücksicht, auch auf sich selber nicht, und wurde die vollkommene Mutter. All ihre Liebe und Fantasie, ihren ganzen Fleiß, jede Minute und jeden Gedanken, ihre gesamte Existenz setzte sie, fanatisch wie ein besessener Spieler, auf eine einzige Karte, auf mich. Ihr Einsatz hieß: ihr Leben, mit Haut und Haar!
Die Spielkarte war ich. Deshalb musste ich gewinnen. Deshalb durfte ich sie nicht ich sie nicht enttäuschen. Deshalb wurde ich der beste Schüler und der bravste Junge. Ich hätte es nicht ertragen, wenn sie ihr großes Spiel verloren hätte. Da sie die vollkommene Mutter sein wollte und war, gab es für mich, die Spielkarte, keinen Zweifel: Ich musste der vollkommene Sohn werden. Wurde ich's? Jedenfalls versuchte ich es. Ich hatte ihre Talente geerbt: ihre Tatkraft, den Ehrgeiz und ihre Intelligenz. Damit war schon etwas anzufangen. Und wenn ich, ihr Kapital und Spieleinsatz, wirklich einmal müde wurde, nur und immer wieder zu gewinnen, half mir die letzte Reserve, eines weiter: Ich hatte die vollkommene Mutter ja lieb. Ich hatte sie sehr lieb. [Seite 145/146]

1 Kommentar:

  1. das Buch hatte ich mal in der Hand und hab überlegt, es zu kaufen. dann hab ichs aber wieder zurückgelegt... wäre also eine Anschaffung wert, wenn ich das hier so lese :)

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